Block 89
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Block 89

Kurzsteckbrief

Fraenkelufer 4 Kohlfurter 46 Kohlfurter 40 Fraenkelufer 8
Baujahr 1884 1872 1875 1903
Wohnfläche 690m² 645m² 945m² 1030m²
Besetzt 1981 1981 1981 1980
Legalisiert 1984 1984 1984 1984
Saniert 1994 1988 1985-1989 1985-1986
Wohneinheiten 6 6 9 (+1 Gewerbe) 10
Bewohner*innen 13 Erwachsene, 2 Kinder 17 Erwachsene, 2 Kinder 32 Erwachsene, 10 Kinder 18 Erwachsene, 3 Kinder
Mietverträge Dauermietverträge, jeweils mehrere Hauptmieter (meist pro Vertrag)
Eigentümer bis 2004 GSW, dann Cerberus, dann Deutsche Wohnen

Geschichte

Der Block 89 besteht aus 7 Häusern, eingebettet zwischen dem Fraenkelufer und der Kohlfurter Straße. Vier dieser Häuser werden in verschiedenen Formen der Selbstverwaltung als Mietshausprojekt bewohnt. Nach der Wohnungsbau- und Spekulationskrise der frühen 1980er Jahre wurden die Häuser Fraenkelufer 4 und 8 sowie Kohlfurter 40 und 46 im Jahre 1981 besetzt. Diese Häuser standen vor der Besetzung langezeit leer und befanden sich im abrisswürdigen Zustand, da im Zuge der damaligen Mietspekulation künstlich Leerstand erzeugt worden war. Nach einer knapp dreijährigen Zeit der Besetzung wurden diese Häuser 1984 mit individuell ausgehandelten Mietverträgen in der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GSW aufgefangen und gehören somit heute zum Bestand der Aktiengesellschaft Deutsche Wohnen. Diese vier Mietwohnprojekte bilden den Block 89 und sind über einen Blockrat vernetzt. In allen Häusern leben mehrere Generationen von Mieter*innen in unterschiedlich strukturierten Gemeinschaften zusammen. Die Bewohner*innen pflegen eine enge Nachbarschaft.

Bewohner*innen

Die heutige Mietergemeinschaft der Häuser geht zwar im Kern noch auf die Instand­besetzer-Gruppe aus den 80er Jahren zurück, hat sich im Lauf der Zeit von der anfänglich stark studentisch geprägten Ursprungsgruppe zu einer bunten und generationenübergreifenden Mischung aus Familien und Wohngemeinschaften, aus Handwerker*innen, Erzieher*innen und Akademiker*innen, aus Schüler*innen und Auszubildenden, Angestellten, Selbstständigen, Erwerbslosen und Rentnern*innen gewandelt. Geblieben ist jedoch der Anspruch, sich sowohl durch solidarische Unterstützung innerhalb der Hausgemeinschaft als auch durch gemeinsames politisches Handeln mit anderen Hausprojekten für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse im lokalen (und globalen) Rahmen einzusetzen. In diesem Zusammenhang ist es seit der Instandsetzung 1981 ein Hauptziel, bezahlbaren Wohnraum für unterschiedliche Wohnformen zu schaffen und zu erhalten.

Selbstverwaltung

Jedes der vier Häuser veranstaltet ein hausinternes Plenum um interne Angelegenheiten zu besprechen. Regelmäßig treffen sich diese vier Häuser in Form eines Blockrats auf dem alle die betreffenden Themen besprochen werden.
Die Mieter*innen haben gemeinsam mit anderen Bewohner*innen des Kiezes öffentliche Grünflächen im Block 89 mit Spielplätzen, Sandkästen und Rasenflächen angelegt und kümmern sich auch um deren Erhalt und Pflege. Somit bieten diese grünen Oasen für Erwachsene und Kinder des gesamten Kiezes einen Platz der Erholung und des sozialen Zusammenhalts. Durch zahlreiche eigene Initiativen (Bepflanzungen, Instandsetzung, usw.) trugen sie sowohl finanziell als auch durch ihre Arbeitskraft zur Entlastung des Grünflächenamtes bei. Nachdem der Bezirk im Laufe der vergangenen Jahre immer mehr öffentliche Grünflächen aufgegeben, zubetoniert oder an Gewerbe vergeben hat, zeigt diese Initiative, wie Wohnprojekte die Kommune entlasten können und stabile, soziale Strukturen im Wohngebiet fördern.

Die Häuser im Block 89 stellen sich vor

Haus Fraenkelufer 4 (F4)

In der F4 leben 13 Erwachsene und 2 Kinder in 6 Wohngruppen. Die Sanierung wurde 1994 abgeschlossen, seitdem hat das Haus eine Dachterrasse, einen Gemeinschaftsraum im Dachgeschoß („Himmel“), im Keller einen Sportraum („Hölle“) und eine Werkstatt. Den „Himmel“ nutzen die Mieter*innen beider Häuser für Treffen, private Feiern, Veranstaltungen Workshops und andere Freizeitaktivitäten. Hier probt der Frauenchor „Judiths Krise“ und es praktiziert eine Tai Chi Gruppe aus der Nachbarschaft. Da es uns als Hausgemeinschaft schon seit Anfang der 80er Jahre gibt und wir seither auch viele Nachbarn*innen aus anderen Häusern kennen, ist der Kontakt unkompliziert und die Hemmschwelle, sich anzusprechen und gegenseitig zu unterstützen, niedrig.
In der F4 gibt es seit 30 Jahren ein gemeinsames Hauskonto auf das jeder Bewohner*innen pro Monat 30 € einzahlt. Davon wird die Miete für den Raum „Himmel“ gezahlt und gemeinsame Anschaffung für alle Gemeinschaftsräume oder auch für gemeinsame Aktivitäten.
Kleinere Reparaturen und Instandhaltungen im und am Haus werden von den Bewohner*innen selbst ausgeführt und finanziert.
Seit die Deutsche Wohnen Eigentümerin der Häuser ist, ist die Wartung der Heizungsanlage unbefriedigend, die Anlage fällt mehrmals im Jahr aus, der externe Reparaturdienst ist meist überlastet.
Die enge Verbindung der Häuser K46 und F4 wird architektonisch durch eine kleine Brücke gezeigt, welche die beiden Häuser im dritten Stock miteinander verbindet.

Haus Kohlfurter straße 40 (K40)

Das Haus in der Kohlfurter Str. 40 – ist bekannt unter der Abkürzung K40. Zeitgleich mit der Unterzeichnung der Mietverträge wurde der Hausverein gegründet, in dem das solidarische Zusammenleben mehrerer Generationen unter einem Dach mittels einer Satzung definiert wird. Das gemeinsame Wohnen und Miteinander wird bis heute praktiziert.
Gegenwärtig leben in der Hausgemeinschaft vierzig Menschen zwischen 1 und 67 Jahren unter­schiedlichster Herkunft. Anders als in konventionellen Wohnformen streben wir innerhalb des Hauses ein hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit an und leben solidarisch miteinander. Alle organisatorischen und praktischen Belange diskutieren und entscheiden wir auf regelmäßig stattfindenden Versammlungen unter basisdemokratischen Prinzipien. Einzelne Arbeitsgruppen kümmern sich um gemeinsame Belange wie Buchhaltung, Gartengestaltung, Lebensmittelversorgung, Bibliothek, juristische Angelegenheiten, politische Projekte etc.
Viele Dinge des Alltags wie Kochen, Putzen, Fahrradreparaturen etc. gestalten wir gemeinsam, es gibt sportliche, politische und kulturelle Initiativen. Internationale Beziehungen und kontintentübergreifender Austausch sind uns ebenfalls wichtig und werden gepflegt. Wir setzen uns im unmittelbaren Wohnumfeld für ein solidarisches Miteinander sowie bezahlbare Mieten ein, wirken in den Kiez hinein, stoßen Debatten an und gestalten mit.
Wir leben also ein weitreichendes Modell der Selbstverwaltung. Unser Ziel ist, das Haus dem Zugriff und damit dem Druck des Marktes zu entziehen, um es in seiner jetzigen Form selbstverwaltet und auf Dauer zu erhalten. Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, in der Wohnen ein Allgemeingut ist und nicht der Profitmaximierung dient.

Haus Fraenkelufer 8 (F8)

Das Haus F8 wurde 1903 erbaut und besteht aus 10 Wohnungen mit insgesamt knapp 1030m² Wohnfläche. 1980 befand sich das Haus Fraenkelufer 8 zu 50 % in langjährigem Leerstand. Dieser Leerstand wurde dann durch eine Besetzung der leeren Wohnungen beendet.
Die Besetzer*innen bezogen die leeren Wohnungen und setzten diese instand. Die Besetzung wurde durch Nutzungsverträge mit besonderen Verabredungen legalisiert, im Anschluss daran fand eine sanfte Modernisierung des Hauses unter Mitplanung und z.T. auch Mitwirkung der Mietparteien statt. Finanziert wurde die Modernisierung durch öffentliche Fördergelder. Fast alle Mietparteien wohnen seit dieser Zeit im Haus. Jeweils zwei Etagen schlossen sich zusammen, um gemeinsam den Einbau von Gasetagenheizungen in ihren Wohnungen zu finanzieren. Diese Modernisierung durch die Mieter machte es möglich, das Haus ökologischer zu beheizen und war von der GSW bewilligt worden. Kleinere Pflegearbeiten im und um das Haus wurden und werden von der Hausgemeinschaft getragen.
Seit 1980 sind wir zu einer gut funktionierenden Hausgemeinschaft gewachsen mit WGs und gemeinsamen Einrichtungen, wie beispielsweise Waschküche, Grünanlage und Werk­raum, die gemeinschaftlich organisiert sind bzw. seit 30 Jahren über ein gemeinsames Hauskonto finanziert werden. Langjährige enge Freundschaften sind entstanden. Schon immer unterstützte sich die Hausgemeinschaft gegenseitig. Alle sind der Meinung, dass Wohnen ein Grundrecht ist und unterstützen sich gegenseitig dabei, dass dies so bleiben kann. In regelmäßigen Abständen finden Hausgemeinschaftstreffen zum gegenseitigen Austausch statt. Die Hausgemeinschaft fühlt sich durch die Tatsache bedroht, dass das Haus jetzt einer Aktiengesellschaft gehört, deren Geschäftsmodell sich einzig an der Maximierung von Gewinnen orientiert. Der rücksichtlose Umgang mit der Bausubstanz entspricht nicht dem Verständnis der langjährigen Mietergemeinschaft am Fraenkel­ufer 8.

Haus Kohlfurter Straße 46 (K46)

In der K 46 leben zurzeit 17 Erwachsene und 2 Kinder, die das Haus in zum Teil etagenübergreifenden offenen Wohngemeinschaften bewohnen. Durch die offenen Türen ist es für alle Bewohner*innen jederzeit möglich auch Andere als die eigenen Wohnbereiche des Hauses zu nutzen. Dadurch ist ein enges Miteinander der einzelnen Wohngemeinschaften über mehr als 30 Jahre erhalten geblieben.
Bei dem Gebäude handelt es sich um einen fünfgeschossigen Gründerzeit-Altbau. 1986-88 wurde das Gebäude im Rahmen der behutsamen Stadterneuerung unter Erhalt der Ofenheizung saniert.
2007 konnten die Bewohner*innen nach einem Rechtsstreit mit der nunmehr privatisierten GSW durchsetzen, dass sie Gasetagenheizungen einbauen durften. Der Einbau wurde von der Hausgemeinschaft gemeinsam so finanziert, dass niemand überfordert wurde. Durch den Selbsteinbau konnte eine Mieterhöhung seitens der GSW verhindert werden. Sämtliche Ausgaben (Miete, Gas, Strom, Heizung, Waschmaschinen, Umfeldverschönerungen, ...) werden aus einer gemeinsamen Kasse bezahlt, in die alle erwachsenen Bewohner*innen eine monatliche Pauschale einzahlen.

Was uns als Block 89 verbindet

Was alle vier Häuser verbindet, ist unter anderem die Möglichkeit als Mieter*innen innerhalb der Häuser, je nach aktuellem Bedarf, zu rotieren und somit jeweils passenden Wohnraum zur Verfügung gestellt zu bekommen. Somit kann selbstverwalteter Wohnraum für Alle erhalten bleiben. Wir blicken auf einen mehr als 30-jährigen Prozess der Selbstorganisation zurück und haben zahlreiche Erfahrungen bei der Umsetzung der Selbstverwaltung. Wir leben und lieben Selbstverwaltung - diese Erfahrungen geben wir gerne an Andere weiter!