Im Folgenden stellen wir die zentralen Elemente unseres Konzeptes vor und zeigen, wie sich Mieter*innenmitbestimmung in Häusern und Siedlungen kommunaler Träger in Abhängigkeit von bestehenden Strukturen und Möglichkeiten in den jeweiligen Häusern unterschiedlich und mit steigendem Grad der Mitbestimmung gestalten lässt.
Im Sinne einer sozialen, demokratischen und ökologischen Stadtentwicklung ist es notwendig, in kommunalen Neubau-, Bestands- und Ankaufprojekten frühzeitig und gemeinsam mit den Mieter*innen Modelle der Mitbestimmung zu entwickeln. Welche Formen und Modelle der Mitbestimmung am besten geeignet sind, lässt sich nicht pauschal festlegen. Das ist abhängig von der Anzahl der Mieter*innen, der Mieter*innenstruktur und dem jeweiligen Organisierungsgrad in den Objekten. Im Folgenden stellen wir zunächst verschiedene Formen der Mieter*innenorganisation vor. Anschließend zeigen wir, wie die Mitbestimmung der Mieter*innen in Häusern der LWU ausgebaut werden soll. Wir schlagen vor, Mitbestimmung in unterschiedlichen Bausteinen zu denken. Mit Bausteinen sind verschiedene Bereiche der Organisation von Wohnraum gemeint – von der Planung über die Belegung bis zur Verwaltung. In jedem Baustein können – je nach Organisierungsform und Wunsch der Mieter*innen – verschiedene Stufen der Mit- und Selbstbestimmung umgesetzt werden.
Aus dem Kreis der Mieter*innen der jeweiligen Objekte wird eine legitimierte, ansprechbare und verantwortliche Mieter*innenorganisation gebildet, die die Interessen der Mieter*innen gegenüber der jeweiligen LWU vertritt. Je nach Größe und Art des Objekts, nach Bedarf der Bewohner*innenschaft und Ressourcen sind unterschiedliche Formen möglich: vom Gesamtplenum bis zu repräsentativen Strukturen. Die Mieter*innenorganisation und ihre Vertreter*innen unterliegen in ihrer Gründung und ihrem Handeln vorab festgelegten Kriterien: Sie ist allen Mieter*innen bekannt und für sie ansprechbar. Sie wird in einem demokratischen Verfahren gebildet. Ihre Arbeit erfolgt für alle Mieter*innen transparent. Ihre Aufgabe ist nicht nur die Vertretung der Interessen der Mieter*innen, sondern auch die Diskussion und Ermittlung von Interessen, Bedürfnissen und Wünschen der Mieter*innen. Ihnen bleibt es überlassen, ob dies im Rahmen regelmäßiger Vollversammlungen aller Mieter*innen organisiert wird oder in einem delegativen Prinzip gewählter Vertreter*innen, in einer thematisch unterteilten Struktur von Arbeitsgruppen, in einem eingetragenen Verein, einer Mieter*innengenossenschaft oder in einer anderen Form. Die Mieter*innenorganisation wird durch das jeweilige LWU umfassend über Entscheidungsfindungsprozesse informiert und an ihnen beteiligt, in die sie eigene Vorschläge einbringen kann. Die Mieter*innenorganisationen erhalten ausreichende Ressourcen, um ihren Repräsentations- und Organisationsaufgaben nachzukommen. Die Wohnraumversorgung Berlin richtet eine beratende Struktur für die Mieter*innenorganisationen ein. Infolge des Mietenvolksentscheides wurden bei den LWU Mieterräte eingeführt. Diese sollen die Mieter*innenmitbestimmung in den Unternehmen garantieren. Auch hierin sehen wir nur einen ersten Schritt. Damit die Interessen der Mieter*innen bei den Entscheidungen der LWU angemessen berücksichtigt werden, bedarf es einer Erweiterung der Rechte der Mieterräte, etwa in Form eines Vetorechtes bei größeren Investitionen im Bestand. Nur so lässt sich gewährleisten, dass innerhalb der LWU Entscheidungen getroffen werden, die nicht im Widerspruch zu ihrem sozialen Auftrag stehen.
Je nach Ausgangsbedingungen und in Abhängigkeit vom Organisationsgrad der Mieter*innen und ihren Wünschen, schlagen wir unterschiedliche Stufen der Mitbestimmung von Mieter*innen vor. Diese bauen aufeinander auf, höhere Stufen beinhalten jeweils die Mechanismen der Beteiligung der vorhergehenden Stufen. Die einzelnen Stufen können zeitlich aufeinander folgen, müssen dies aber nicht. Je nach Organisationsgrad der Mieter*innen kann auch direkt auf einer höheren Stufe begonnen werden.
Die Mieter*innenmitbestimmung kann in unterschiedlichen Bausteinen umgesetzt werden. Die Bausteine sind im Wesentlichen:
Jeder dieser Bausteine kann somit in unterschiedlichen Stufen der Mitbestimmung gestaltet werden.
Bei Neubau, Nachverdichtung und Sanierung von kommunalen Wohnsiedlungen sollen Planungsprozesse gemeinsam mit Mieter*innen und selbstverwalteten Projekten durchgeführt werden. Dazu gehört nicht nur die frühzeitige und umfassende Information der Mieter*innen bevor grundlegende Entscheidungen, etwa im Investitionsplan des LWU, gefallen sind. Je nach Organisationsgrad der Mieter*innen bzw. der Initiativen und selbstverwalteten Projekte sollen diese in den Planungsprozess auch substantiell einbezogen werden. Dies gilt für Nachverdichtung, Sanierung und Neubau gleichermaßen. Bei Neubauvorhaben sind die unmittelbare Nachbarschaft sowie Initiativen aus dem politischen, sozialen oder räumlichen Umfeld einzubeziehen:
Im Bereich des Wohnens können die Mieter*innen über folgende Aufgaben mitbestimmen: Kündigung, Räumung, Leerstand, Wiedervermietung, Umwandlung von Wohn- in Gemeinschafts- oder Gewerbefläche. Die LWUs müssen die Mieter*innen über geplante Maßnahmen informieren. Je nach Organisationsgrad der Mieter*innen muss deren Vertretungsstruktur konsultiert werden, hat Vorschlagsrecht, Vetorecht oder kümmert sich selbstständig um die verschiedenen Aufgaben.
In jedem Fall sind Belegungsbindungen, soziale Kriterien und die Berücksichtigung besonderer Bedarfsgruppen (nach dem Wohnraumversorgungsgesetz und nach der Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und LWU) zu beachten. Denn kommunale Häuser sollen weiter bezahlbare Orte für viele Menschen unterschiedlicher Kulturen und Anliegen sein.
Bei der Vergabe leerstehender Gewerberäume, dem Wechsel von Gewebemieter*innen und der Verstetigung aktueller Nutzungen von Gewerberäumen sind Mieter*innen einzubeziehen, bei Neubau auch die ganze Nachbarschaft:
Zur Verwaltung des Objekts gehören die laufende Pflege des Gebäudes und der zugehörigen Außenbereiche, ggf. die Beauftragung entsprechender Dienstleistungen, die Betriebskostenabrechnung und sonstige Kostenkalkulationen, die Pflege bestehender Mietverhältnisse, etc. Dies kann in unterschiedlichen Stufen erfolgen:
Insbesondere größere Instandhaltungsmaßnahmen und Modernisierungen sind häufig mit erheblichen Belastungen der Mieter*innen verbunden und führen nicht selten wegen steigender Mieten zum Verlust des Wohnraums und zur Verdrängung aus der Nachbarschaft.
Die bauliche Instandhaltung der Häuser liegt im Verantwortungsbereich der LWU, eine Mieterhöhung aufgrund von Instandhaltungsmaßnahmen ist gesetzlich unzulässig. Um über Prioritäten, Arten und Weisen der Instandhaltung mitbestimmen zu können, müssen die Mieter*innen in den Planungsprozess der laufenden Instandhaltung von Anfang an einbezogen werden. Planungs- und Umsetzungsverfahren der geplanten Instandhaltungen sind transparent zu gestalten. Der Mieter*innenorganisation ist unter Offenlegung von Kosten und Abläufen die Mitsprache zu ermöglichen.
Modernisierungsmaßnahmen in Wohnungen und am Gebäude lassen sich gemäß gesetzlicher Regelungen oder freiwilliger Verträge (Kooperationsvereinbarung) auf die Mieten umlegen. Um jedoch Verdrängungen infolge von Modernisierung zu vermeiden, ist insbesondere in diesem Punkt die Mieter*innenmitbestimmung von zentraler Bedeutung. Dies kann in unterschiedlichen Stufen erfolgen:
Eine demokratische Mieter*innenmitbestimmung verfolgt nicht nur miet- und sozialpolitische Ziele in den einzelnen Objekten. Sie setzt sich auch für die Kiez- und Wohnumfeldentwicklung ein. Eine aktive Nachbarschaft zu erhalten und von Verdrängung bedrohte Mieter*innen zu unterstützen, ist auch Aufgabe der öffentlichen Hand, dies kann aber nur in Kooperation mit den Mieter*innen in den Kiezen selbst erfolgen.
Nach den schlechten Erfahrungen der 2000er Jahre mit dem Verkauf großer Wohnungsunternehmen durch das Land Berlin ist kommunaler Besitz offenbar nicht dauerhaft gesichert. Erste Schritte zur Verhinderung des weiteren Verkaufs landeseigener Wohnungsunternehmen (durch das Wohnraumgesetz) müssen weitere Schritte folgen, die eine künftige Privatisierungswelle endgültig ausschließen.
Sind Mieter*innen, Initiativen und selbstverwaltete Projekte in einem hohen Maß organisiert, kann in einer letzten Stufe der Integration kommunaler und selbstverwalteter Strukturen eine kollektive Form des Besitzes geschaffen werden. Kollektive Formen des Besitzes garantieren auch unter veränderten politischen Verhältnissen den Schutz vor Reprivatisierung und unsozialen Mietsteigerungen. Ein Vorschlag einer solchen kollektiven Eigentumsstruktur ist die Integration sowohl kommunaler Träger (z. B. LWU oder Vertreter*innen des Bezirks) als auch zivilgesellschaftlicher Träger (z. Bsp. Mieter*innenräte, Vereine).
Hierfür schlagen wir die Entwicklung eines „Bodenrats“ (Community Land Trust) vor, in dem Mieter*innen, Vertreter*innen aus der Nachbarschaft, des Bezirks, der LWU und zivilgesellschaftlicher, gemeinwohlorientierter Träger kollektive Besitzer*innen des Bodens und der Immobilien sind.