#SuspendTheRent
Jetzt für eine gemeinwirtschaftliche Wohnraumversorgung handeln.
Für viele Menschen bedeutet das Corona-Virus extreme Unsicherheit: Sie verlieren einen Teil ihres Einkommens – durch Kurzarbeitergeld verdienen sie nur noch 60%.
Gemeinwirtschaftliches Handeln ist das Gebot in der Stunde – sei es im Gesundheitsbereich, sei es bei der Wohnraumversorgung. Das bedeutet Menschen vor Profite. Jetzt ist der Zeitpunkt, erste Schritte in Richtung einer Wohnraumversorgung als Gemeinwirtschaft zu gehen.
Seit Jahren steigen in Berlin die Mieten, die Immobilienpreise explodieren, Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt, Sozialwohnungen fallen in großer Zahl aus der Förderung. All dies hat zu Verdrängungen, Ausgrenzungen und einem Wandel sozialer Strukturen im gesamten Stadtgebiet geführt. Viele Mieter*innen fordern daher schon lange die Kommunalisierung ihrer Häuser und damit den langfristigen Entzug der Gebäude vom Immobilienmarkt, in dem das Land Berlin sie kauft. Gerade auch Mieter*innen aus den früher landeseigenen Wohnungsunternehmen (GEHAG – 2001 verkauft und GSW – 2004 verkauft, die heute der Deutsche Wohnen gehören) verlangen die Re-Kommunalisierung ihrer Wohnungen.
Auch die regierende Koalition im Senat aus SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/Die Grünen und die Berliner Bezirksämter haben als wohnungspolitische Ziele die Sicherung sozialer und bezahlbarer Mieten, einen Stopp der Immobilienspekulation, die Förderung von Modellprojekten für selbstverwaltete Mieter*innengenossenschaften und die Stärkung der landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) ausgerufen. Als eine zentrale Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele nennt der Koalitionsvertrag die Erhöhung des kommunalen Wohnungsbestandes. Dieses Ziel soll durch Neubau und Ankauf, unter anderem durch die Ausübung von Vorkaufsrechten in Milieuschutzgebieten, erreicht werden.
Mit diesem Text legen wir ein Konzept für einen langfristig abgesicherten, kommunalen Wohnungssektor vor, in dem die Mitbestimmung von Mieter*innen eine zentrale Rolle spielt. Wir, das sind Mieter*innen in (re-)kommunalisierten Häusern und Siedlungen; Mieter*innen in Häusern und Siedlungen, die noch auf die (Re)Kommunalisierung warten; Bewohner*innen ehemals besetzter Häuser, die schon seit Jahrzehnten zeigen, dass und wie Selbstverwaltung in den landeseigenen Wohnungsunternehmen möglich ist; sowie stadtpolitisch Aktive, die sich bei Neubauprojekten für die Einführung von selbstverwalteten Elementen im kommunalen Eigentum einsetzen. Ziel des vorliegenden Papiers ist es, mit unserem Konzept „kommunal & selbstverwaltet Wohnen“ eine gesamtstädtische Diskussion über die Integration von Mitbestimmung und Selbstverwaltung bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen anzustoßen.
Die Porträts von Mieter*innen- und wohnungspolitischer Initiativen im zweiten Teil dieses Heftes veranschaulichen die jahrzehntelange Erfolgsgeschichte sowie die aktuelle Entwicklung unterschiedlicher Modelle von „kommunal und selbstverwaltet Wohnen“ in Berlin.
Um überhaupt die Voraussetzungen für dauerhaft abgesicherte, bezahlbare Mieten für viele Menschen zu schaffen, ist die (Re-)Kommunalisierung privater Bestände dringend notwendig. Denn nur im öffentlichen Eigentum kann wirkliche Mieter*innenmitbestimmung durchgesetzt werden. Die Ausübung des Vorkaufsrechts und der direkte Ankauf von privaten Eigentümern muss deshalb ausgeweitet werden. Außerdem gilt es, börsennotierte Wohnungsmarktakteure, wie die Deutsche Wohnen, einer gesellschaftlichen Kontrolle durch Enteignung zu unterwerfen, da sie keinen Beitrag zur sozialen Wohnraumversorgung leisten.
Die Kommunalisierung von Wohnraum ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer sozialverträglichen, gemeinwohlorientierten, demokratischen und ökologisch nachhaltigen Stadtentwicklung. Ein nächster notwendiger Schritt ist die Erweiterung der demokratischen Mitbestimmung der Mieter*innen und die stärkere Kontrolle der LWU hinsichtlich ihres sozialen Auftrags.
Viele Mieter*innen landeseigener Wohnungsunternehmen mussten in den vergangenen Jahren leidvoll erfahren, dass das öffentliche Eigentum sie nicht vor Mietsteigerungen und Verdrängung schützt. Wenn sie nicht vollständig verkauft wurden, haben sie doch in den letzten Jahren ihre Strategien auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Käufe der LWU untereinander und Ausschüttungen an das Land Berlin haben über lange Zeit für massive Kapitalabflüssen aus den öffentlichen Wohnungsgesellschaften gesorgt. Diese Abführungen zur Sanierung des Landeshaushalts wurden durch Mieterhöhungen refinanziert, deshalb sind die Spielräume für günstige Mieten kleiner geworden. Die Umlage der Kosten von Modernisierungen auf die Mieter*innen oder die vorzeitige Ablösung der Darlehen des Sozialen Wohnungsbaus werden nach kaufmännischer Logik und ohne demokratie- oder sozialpolitische Rücksichtnahmen durchgeführt und führen oft zu nicht mehr leistbaren Miethöhen.
Das Wohnraumversorgungsgesetz, das im Zusammenhang mit dem Mietenvolksentscheid verabschiedet wurde, hat den sozialen Auftrag der LWUs festgeschrieben. Die Wohnraumversorgung Berlin AöR (WVB) soll die Umsetzung dieses Auftrags kontrollieren und gewählte Mieter*innenräte sollen die Interessen der Mieter*innen gegenüber den LWU vertreten. Es hat sich seit der Verabschiedung des Gesetzes im November 2015 jedoch gezeigt, dass dieser Vorsatz in den Quartieren nicht ankommt: Weder eine sozi- ale Wohnungspolitik noch die Mitbestimmungs- und Selbstverwaltungsinteressen der Mieter*innen werden derzeit seitens der LWU ausreichend sichergestellt.
Das Wohnraumversorgungsgesetz, das im Zusammenhang mit dem Mietenvolksentscheid verabschiedet wurde, hat den sozialen Auftrag der LWUs festgeschrieben. Die Wohnraumversorgung Berlin AöR (WVB) soll die Umsetzung dieses Auftrags kontrollieren und gewählte Mieter*innenräte sollen die Interessen der Mieter*innen gegenüber den LWU vertreten. Es hat sich seit der Verabschiedung des Gesetzes bis hin zum kollektiven Besitz in Kooperation mit den im November 2015 jedoch gezeigt, dass dieser Vorsatz Mieter*innen gestaltet werden kann. in den Quartieren nicht ankommt: Weder eine soziale Wohnungspolitik noch die Mitbestimmungs- und Selbstverwaltungsinteressen der Mieter*innen werden derzeit seitens der LWU ausreichend sichergestellt.
Dabei gibt es unter dem Dach der LWU langjährige Erfahrungen mit Selbstverwaltung und Mitbestimmung. Nach den Hausbesetzungen der 1980er und 1990er Jahre sind viele selbstverwaltete Hausprojekte entstanden, die bis heute in unterschiedlichen Organisationsformen als Vertragspartner der LWU erfolgreich Selbstverwaltung praktizieren. Diese wertvollen Erfahrungen können und sollten von den LWU genutzt, aber auch von den Mieter*innen in anderen Häusern und Siedlungen eingefordert werden.
Aufbau und Betrieb selbstverwalteter Strukturen erfordern allerdings viel Engagement, Zeit, Erfahrungen, Geduld und gute Kontakte; nicht alle Menschen können oder wollen diesen Aufwand betreiben. Einzelne Hausgemeinschaften sind darüber hinaus weder in der Lage, Mittel zum Ankauf weiterer Objekte zu beschaffen, noch sind ihre Selbstverwaltungsmodelle beliebig auf andere Häuser, größere Siedlungen und Wohnblocks übertragbar. Aus diesen Gründen sind selbstverwaltete Hausprojekte in ihrer Breitenwirkung begrenzt. Die Vorteile beider Modelle – die breite Zugänglichkeit kommunaler Wohnungen und die demokratische Mitbestimmung in selbstverwalteten Wohnprojekten – müssen daher miteinander verbunden werden. Nur so lassen sich auch die Nachteile beider aufheben: Die gegenseitige Kontrolle der landeseigenen Wohnungsunternehmen und der Mieter*innen schließt Privatisierung auf der einen und unsoziale, nach Partikularinteressen ausgerichtete Wohnungspolitik auf der anderen Seite aus.
Mit- und Selbstbestimmung von Mieter*innen im Bereich Wohnen ist eine Grundvoraussetzung für eine demokratische Stadtentwicklung, die sich nicht an Profitmaximierung, sondern an einer inklusiven Gemeinwohlentwicklung orientiert. Nur darüber kann Wohnen als Grundbedürfnis (statt als Ware) langfristig abgesichert werden. (Re-)Kommunalisierte Häuser, existierende selbstverwaltete Projekte im Eigentum der LWU und kommunale Neubauprojekte bieten Gelegenheiten, um Modelle (weiter) zu entwickeln, in denen die Planung, Verwaltung, Belegung bis hin zum kollektiven Besitz in Kooperation mit den Mieter*innen gestaltet werden kann.
Die kommunale und selbstverwaltete Kooperation bietet Vorteile für die Mieter*innen und die LWU. Die Mieter*innen können durch die Mitbestimmung Verdrängung und Privatisierung verhindern und ihre eigene Wohnsituation sowie die anderer Mieter*innen sozial gestalten. Für die LWU reduziert sich bei Einführung selbstverwalteter Gremien langfristig der Verwaltungsaufwand, wodurch die Verwaltungskosten sinken. Mit der Mitbestimmung verändert sich das Verhältnis der Mieter*innen zum Haus. Sie tragen vermehrt Sorge für die Häuser, Gemeinschaftsflächen und die Nachbarschaft. Denn stabile Hausgemeinschaften wirken nicht nur nach innen, sondern auch in den Stadtteil. Darüber hinaus trägt die Demokratisierung des Wohnens zu einer Demokratisierung und Gemeinwohlentwicklung in der gesamten Gesellschaft bei. Beispiele aus Berlin und anderen Städten zeigen, dass Mitbestimmung und Selbstverwaltung geeignete Mittel sind, um: